Titel: Ravna – Tod in der Arktis
Autor: Elisabeth Herrmann
Genre: Thriller
Erscheinungsjahr: 2021
Verlag: cbj
Vardø, nördlicher Polarkreis: Es ist der erste Tag der jungen Ravna Persen im Polizeipraktikum, da muss sie bereits den Tatort eines Mordes absperren. Das Opfer ist der lokale Großgrundbesitzer Olle Trygg, der bei den ortsansässigen Familien seines abgelegenen Heimatortes alles andere als Freunde hatte. Darüber hinaus war der Tote Same und damit Teil einer gesellschaftlichen Minderheit Norwegens, der auch Ravnas Familie angehört. Als die junge Praktikantin am Tatort Hinweise auf samische Riten findet, erscheint das Undenkbare möglich: Hat ein Same hier einen Samen getötet?
Kurz darauf taucht der norwegische Kommissar Rune Thor auf, der Ravna durch seine Art und sein Äußeres an einen Gand, einen bösen Geist aus der samischen Mythologie, erinnert. Dessen kalte und raue Art stößt bei Ravna auf wenig Gegenliebe, doch scheint Thor im Gegensatz zu den Provinzpolizisten der Einzige zu sein, der der jungen Frau zuhört.
Das allerdings nur widerwillig, denn ein Verdächtiger ist rasch gefunden, die Beweise auf den ersten Blick eindeutig. Doch so schnell will Ravna nicht aufgeben. Sie glaubt, dass mehr hinter dem Mord steckt und entdeckt kurz darauf Beweise für ihre Theorie. Gemeinsam mit Thor macht sie, die Praktikantin, sich erneut an die Aufklärung des Mordes – und gerät dabei immer tiefer in einen bedrohlichen Strudel aus alter Tradition, Fehde und Verbrechen…
Bislang war die Journalistin und Autorin Elisabeth Herrmann einem breiten Publikum für ihre (teils verfilmten) Krimireihen und Thriller bekannt. Mit „Ravna“ gelingt ihr der gekonnte Einstieg in eine neue Reihe mit interessanten und vielschichtigen Protagonist*innen, die sich an ein im Schnitt jüngeres Publikum richtet (und darum auch beim cbj-Verlag erschienen ist). Ravna, die mit ihrer Entscheidung, zur Polizei zu gehen, mit einer jahrtausendealten Familientradition bricht, ist jung und unerfahren. Dennoch schafft sie es durch ihr Wissen und ihre Beharrlichkeit, viel zur Lösung des Mordfalls beizutragen. Die ganze Zeit steht ihre Zukunft als Polizeianwärterin dabei auf Messers Schneide, denn weder trauen ihr ihre Kollegen im örtlichen Polizeirevier allzu viel zu, noch scheint Rune Thor ihr wirklich zu vertrauen. Letzterer hat durch den Verlust von Frau und Kind auch ganz eigene Probleme, die ihn nicht nur zu einem anstrengenden Ermittlungsleiter und Partner machen, sondern auch zu einem unberechenbaren Faktor. Denn er ertränkt seinen Schmerz nicht selten in Hochprozentigem. Und dann wäre da noch die alte Léna, Ravnas Urgroßmutter, die einige Geheimnisse hat und dadurch für noch mehr Spannung sorgt.
Als Leser*in erfährt man im Roman nicht nur viel über den östlichsten Zipfel Norwegens, sondern auch über die interessante Kultur des Volks der Samen. Eine kleine Portion Übernatürliches und überraschende Wendungen kommen noch hinzu. Und so ist es nicht verwunderlich, dass man das Buch schon nach kurzer Anlaufzeit gar nicht mehr aus der Hand legen will und bis zum Ende mit fiebert. Ein sehr gelungener Roman also, der keine Längen oder andere Schwächen aufweist und seine durch die Polarnacht, Kälte und Schneefall mitunter düstere Atmosphäre die ganze Zeit über aufrecht erhält. Gern mehr davon, Frau Herrmann!