Interview mit Erik Kellen

Ich sprach mit dem Autor über seinen Weg zum Schreiben, seinen Schreiballtag und über seine bisherigen Bücher – insbesondere das letzte, „Yuna und der Hüter der Wolken“.

NvS_Books: Hallo Erik! Und gleich zu Anfang vielen Dank, dass du dir hierfür die Zeit nimmst!

Erik Kellen: Gern.

NvS_Books: Es ist das erste Mal. Und ist übrigens auch für mich das erste Mal, dass ich jemanden über Zoom interviewe. Man wohnt eben weit auseinander. Ich in Boppard, du in Hamburg.

Erik Kellen: Seit 25 Jahren. Fast schon eingebürgert.

NvS_Books: Und du schriebst Bücher nicht erst seit gestern. Du hast ja auch die Nimmerherz-Romane veröffentlicht, die Lichtsplitter-Reihe und ein paar Einzelbände.

Erik Kellen: Lichtsplitter zusammen mit Mira Valentin. War ein Gemeinschaftsprojekt.

NvS_Books: Wie lange bist du schon als Autor aktiv?

Erik Kellen: Mit Veröffentlichen und allem seit 2013. Ich habe früher den klassischen Weg genommen. Manuskript absenden. Warten, warten und nochmal warten. Bis dann das Formschreiben zurück kommt, dass man abgelehnt ist. Dann habe ich es über Literaturagenturen probiert. Da bin ich bei einer tollen Agentur in München untergekommen. Und die haben meinen Erstling an die großen Münchner Verlage gegeben. Heyne war das und noch ein paar andere.

NvS_Books: Und?

Erik Kellen: Da kam dann zurück „Oooh, Fantasy aus Deutschland. Da sehen wir keine Marktchance…“

NvS_Books: Aha. Irgendwie seltsame Antwort.

Erik Kellen: Ja, ich fand das auch seltsam. Aber das ist immer das Totschlag-Argument. ‚Es verkauft sich nicht.‘ Das war auch Fantasy, die in Deutschland gespielt hat, in Hamburg. Ich habe mit der Zeit herum gespielt und habe uralte, griechische Galeeren durch Hamburg schwimmen lassen. Aber die haben eben gesagt „Das bringt uns nix.“ Und über kurz oder lang, nach noch ein bisschen Hin und Her, habe ich dann mit der Agentur vereinbart, dass ich diesen Weg nicht gehen möchte. Damals zeichnete sich ab, dass Amazon dieses Selfpublishing aufmacht. Und da hab ich dann gedacht ok, dann probierst du das jetzt ganz allein.

NvS_Books: Ja, die Ebook-Veröffentlichungen sind seit damals explodiert. Auch die Print-on-Demand-Geschichten. Wie machst du das dann mit Korrektorat?

Erik Kellen: Ich habe eine ganz tolle Lektorin, die in Österreich sitzt. Die hat Journalismus studiert und übersetzt auch Bücher vom Englischen ins Deutsche. Der habe ich dann meine Texte gegeben. Und die ist dann mal ordentlich mit dem Buschmesser durch die Zeilen usw… Das funktioniert bis heute super. Wir verstehen uns so gut, wenn sie Anmerkungen macht weiß ich, was ich tun muss. Und Korrektorat ist ja auch mit dem Selfpublishing gewachsen. Da haben sich irgendwann mal Leute angeboten, die damit ein Zubrot verdienen. Ich habe da gute Leute und das funktioniert alles. Also ich gebe sehr viel ab, erstmal komplett an die Testleser. Cover geht woanders hin und so weiter. Ich konzentriere mich aufs Schreiben.

NvS_Books: Was inspiriert dich zum Schreiben? Woher nimmst du deine Ideen?

Erik Kellen: Das ist ganz unterschiedlich. Ich bin totaler Film-Fan. Und war von je her immer fasziniert von fantastischen Welten. Science-Fiction auch. Und da braucht wirklich nur irgendwo ein Baum in einer Ecke stehen der mir irgendwie seltsam vorkommt, dann klingelt da in einer Ecke was und ich mache mit Notizen. Ansonsten reicht das fast schon, wenn ich durch Hamburg gehe. So war das beim ersten Roman auch. Ich habe die Außenalster,die ganzen vielen Fleete, die es hier gibt. Hamburg hat mehr Brücken als Venedig. Und ich habe mir gedacht „Wie cool wäre das denn, wenn hier mal eine griechische Kriegsgaleere durch rudert. Woher die auch immer kommen mag. Und das sind so die ersten Funken im Kopf. Eigentlich brauche ich nur vor die Haustür gehen. Ich wohne in der Nähe vom Stadtpark, da haben wir dieses tolle Planetarium. Wenn man da im Winter dran vorbei geht und das liegt so leicht im Nebel. Da hast du schon die ersten Schauergeschichten im Kopf.

NvS_Books: Und man findet ja auch im Internet heute so viele Anregungen durch Fotos, Berichte. Das reicht ja oft schon.

Erik Kellen: Ja.

NvS_Books: Was treibt dich denn beim Schreiben an. Dass du sagst „Ich setze mich jetzt hin und schreibe 300 oder 400 Seiten.

Erik Kellen: Das ist bei mir eigentlich gar kein großes Problem muss ich sagen. Wenn eine Geschichte wirklich läuft. Wenn der Bauch weiß, wo er hin will (ich hörte meistens mehr auf den Bauch), dann fließt das eigentlich ziemlich gut dahin. Dann ist das keine Anstrengung, dann ist das Spaß. Man hat Freude an den Figuren, man hat Spaß, weil einem beim Schreiben wieder Sachen einfallen. Ich plotte nicht alles durch, ich verlasse mich da auf die Intuition. Und da springen manchmal einfach so Ideen aus dem Dickicht wo ich sage „Ha! Cool. Das nehme ich mit rein.“ Also ich muss mich da nicht irgendwie hinsetzen und sagen „Heute zehn Seiten, morgen zehn Seiten.“

NvS_Books: Und dann hat man ja auch irgendwann die Zielgerade vor Augen. Je mehr man schon hat, desto mehr Antrieb hat man, das dann auch zu beenden, oder?

Erik Kellen: Also was ich gemerkt habe, deshalb hatte ich irgendwann fast schon damit abgeschlossen, Romanreihen zu schreiben. Denn bei Nimmerherz habe ich wirklich gemerkt, am Schluss bei Band fünf, wo man
so vieles wieder verbinden muss. Da bin ich leicht in die Nähe des Wahnsinns geraten. Das war echt heftig. Ich musste an so vieles denken. Da habe ich am Ende gedacht, dass das kein Spaß mehr ist, sondern wirklich knüppelharte Arbeit.

NvS_Books: Da spielt ja dann auch die Entwicklung der Figuren im Lauf der Reihe eine Rolle und vieles, was man unterwegs mal eingebaut hat, was noch alles geplant ist. Bisschen wie ein Nadelöhr im letzten Buch.

Erik Kellen: Da musst wirklich im Auge haben, dass man halt Dinge in die Geschichte einbaut, die erst viel später so eine Bedeutung bekommen. Und das löst du dann ganz am Schluss auf. Und das natürlich möglichst logisch.

NvS_Books: Das ist eigentlich eine schöne Überleitung zu deinem letzten Buch „Yuna und der Hüter der Wolken“. Da hast du solche Dinge auch gemacht. Und am Kindle Storyteller Award teilgenommen. Meine erste Frage zum Buch ist, was dir daran wirklich am Herzen liegt.

Erik Kellen: Die Geschichte habe ich schon lange schreiben wollen. Aber ich hatte eigentlich keine richtige Vorstellung davon. Ich hatte dadurch, dass ich meinen Vater vor ein paar Jahren verloren habe, kurz darauf meine Oma, ein paar Freunde sind leider auch nicht mehr da – wollte ich das Gefühl, ich möchte etwas über den Tod schreiben. Und was danach vielleicht ist. Das ist ja nun sehr weit gefasst und ich wollte mich dabei auch nicht im Bereich der Religion bewegen, sondern in dem, wo ich mich auskenne. Und das ist eben Fantasy schreiben.
Da hatte ich dann irgendwann diese Idee mit dem Lebenslicht. Wo geht das hin? Und zuerst war wirklich nur die Geschichte von Yuna geplant. Es sollte ein Mädchen sein, das sich auf die Reise begiebt, um ein ganz bestimmtes Lebenslicht zu finden. Und daraus ist dann nachher viel viel mehr entstanden.

NvS_Books: Und die Figur war auch die erste, die du entworfen hast.


Erik Kellen: Sie war die erste die ich entworfen habe und da hatte ich auch sehr schnell ihre Welt so vor Augen, dass sie auf einer Insel wohnt, mit ganz riesigen Bäumen und alle in großen Baumhäusern leben. Und sie war wirklich der STartpunkt. Da mein Vater Taucher war war für mich klar, ihr Vater muss auch Taucher sein. Ich konnte da viel Erfahrung mit einbringen. Und dann sponns ich das ein bisschen weiter und ich dachte, es könnte noch spannender werden. Etwas mehr Konflikt. Ich fand es ein bisschen langweilig zu sagen „Kleines Mädchen setzt sich in ein Boot und segelt übers Meer um ein Lebenslicht zu finden.“ Hätte man auch machen können, wäre ein kürzeres Buch geworden.
Aber ich fand dann die Idee reizvoll, daneben noch eine Figur zu packen und damit den Hintergrund zu schaffen. Dass es nämlich noch andere Leute gibt, die dieses Lebenslicht für sich nutzen wollen. Und da ist dann Shay entstanden. Und so setzte sich das Stück für Stück zusammen und ist zu dem geworden, was es jetzt ist.

NvS_Books: Und zack waren es fast 400, an sich alles rund und passt gut zusammen.

Erik Kellen: Ja, ich schreibe in Bildern, das muss ich ehrlich zugeben. Ich sehe das wirklich vor mir, wenn ich schreibe und versuche, das wirklich genau zu beschreiben. Da gibt es viele, die sagen, dass es oft etwas blumig und viel wird. Kann ich auch gut verstehen. Und ich versuche mich auch zurückzunehmen, aber 400 Seiten sind da wirklich gar nichts. Ich habe auch schon länge Bücher geschrieben.

NvS_Books: Naja, du bist ja keiner, der über sechs, sieben, acht Seiten die Landschaft beschreiben.

Erik Kellen: Nein. Ich bin großer Tolkien-Fan und ich habe HdR auch gelesen. Aber da stieß mir das wirklich auf. Er hat jeden Busch und jeden Grashalm auf dieser Reise genau beschrieben. Da bin ich dann regelrecht bei weggenickt. Wieso er das gemacht hat weiß ich nicht. Vielleicht, weil er großer Natur-Fan war. Manchmal merkst du das aber auch als Autor nicht. Dann tippst du da vor dich hin und denkst „Ah, klasse.“ und dann sagen die Testleser „Oh Mann, auf Seite soundso, was hast du denn da gemacht?“

NvS_Books: Das wird dir dann ja im Lektorat auch entsprechend zurückgemeldet.

Erik Kellen: Genau. Da sind dann zwei große Harken dran, verbunden mit einer großen Klammer. Und da steht dann dran „Kann weg.“ (lacht)

NvS_Books: Das sind ja aber auch die Sachen, die am einfachsten nachzuarbeiten sind.

Erik Kellen: Das stimmt. Knifflig wird es, wenn man eigene Logikfehler nicht wirklich begreift oder man eine Zeit lang braucht bis man merkt, dass man sich verlaufen hat.

NvS_Books: Welches deiner bisherigen Bücher hat dir beim Schreiben am meisten Freude bereitet?

Erik Kellen: Das war tatsächlich Nimmerherz. Den Plot habe ich tatsächlich geträumt, von der durchgeknallten Reise der Hauptfigur einmal um die ganze Welt. Da bin ich morgens aufgewacht und habe gleich die ersten Seiten geschrieben. Ich hatte die Figuren sofort im Kopf, auch die Nebenfiguren, habe losgetippt und beim Schreiben gemerkt, das fühlt sich gut an. Bis Band vier hat sich das durchgezogen. Band fünf war es dann anstrengend, aber es war trotzdem ein Hammergefühl, als ich dann bei Band fünf das dicke Wort Ende drunter gesetzt habe. Das sind so Momente wo man sagt „Okay, jetzt hast du glaube ich was richtig Cooles fertig gekriegt.“ Das hat am meisten Spaß gemacht.

NvS_Books: Da hat sich dann auch der ganze Stress für gelohnt.

Erik Kellen: Ja, manchmal denkt man „Hättest du es nicht etwas kürzer machen können? Musste es das und das auch noch sein?“ Aber letztendlich überwiegt da Gefühl, wo man sagt „Dafür habe ich mich hingesetzt.“

NvS_Books: Am Ende von Yuna hast du eine Fortsetzung angedeutet. Wie sieht es denn damit aus? Hast du dich da schon entschieden?

Erik Kellen: Habe ich noch nicht. Weiß ich noch nicht. Wenn ich jetzt hier einen Satz Notizen liegen hätte würde ich es wohl nicht verraten. Ich habe nämlich total ungeduldige Leser. Ich kenne das von Nimmerherz. Das sollte eine Trilogie werden. Dann habe ich gemerkt, dass das nicht reicht und habe Band vier und fünf angekündigt. Und da das echt Zeit verschlungen hat bin ich dann regelrecht traktiert worden auf Facebook und per Mail, von wegen „Mach hinne.“ Und dann habe ich irgendwann gesagt ich kündige gar nichts mehr an, überrasche alle nur noch und sage nur noch „Ich bin im Schreibmodus. Demnächst gehts dann weiter“
Ob ich da eine Fortsetzung schreibe, auch da, das sagt mir der Bauch. Ich habe am Schluss ganz bewusst eine Tür angelehnt gelassen. Es ist noch etwas hinter dieser Tür. Und ob die nochmal aufgestoßen wird und ich durch gehe, das wird sich zeigen. Aber es würde wohl sehr viel Spaß machen, dann das Buch auch sehr viel Spaß gemacht hat.

NvS_Books: So, dann sind wir auch schon am Ende. Nochmal vielen Dank für deine Zeit und wir warten dann würde ich mal sagen ab, was da noch von dir kommt.

Erik Kellen: Hab ich sehr gern gemacht.

Ihr findet Erik und seine Bücher unter http://www.erik-kellen.de .

Author: nickvs

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