Autor*in: Christian Handel
Genre: Historische Fantasy / Jugendbuch
Erscheinungsjahr: 2022
Verlag: Ueberreuter
England im späten 19. Jahrhundert: Der sechzehnjährige Colin soll den Sommer bei seiner Mutter und deren neuen Mann auf Thornhill Hall verbringen, was ihm vollkommen zuwider ist. Denn seine Mutter hat die Familie vor einigen Jahren einfach verlassen, um sich einer Theatergesellschaft anzuschließen und ihren Träumen nachzujagen. Colin wuchs daraufhin bei seiner Großmutter auf, die jeden weiteren Kontakt mit ihrer Tochter ablehnte.
Auf Thornhill Hall angekommen wird es wie erwartet emotional schwierig für Colin, denn seine Mutter entspricht nicht dem Bild, das er sich von ihr zurechtgelegt hat. Einige Dinge scheinen anders zu liegen, als seine Großmutter oder sein Vater sie ihm gegenüber dargestellt haben. Und dann ist da noch der junge Theodor, der Colin verwirrt und aus der Fassung bringt. Doch noch ehe er all dem auf den Grund gehen kann, kommt es zu einem tragischen Zwischenfall: Colin wird des nachts die Treppen des Herrenhauses hinab gestoßen und bricht sich das Genick. In der Dimension der Geister wieder erwacht erfährt der junge Mann, dass er nur drei Tage Zeit hat, das verlorene Zimmer des alten Landsitzes zu finden, um sein Leben zurück zu gewinnen. Andernfalls kann er nur ins Licht gehen, von dem niemand weiß, was danach geschieht – oder auf ewig durch Thornhill Hall spuken…
Christian Handel erschafft in seinem Jugendbuch eine spannende, dem Publikum angemessene und dem Protagonisten auf den Leib geschnittene Atmosphäre. So würde ein emotional aufgewühlter Teenager denken, fühlen und handeln, der nicht nur seine familiäre Situation, sondern auch seine Gefühle für einen Gleichaltrigen einordnen und mit sich selbst und seiner Zukunft in Einklang bringen will. Dabei gelingt es dem Autor, die Gefühle zweier junger Männer füreinander absolut authentisch und als das darzustellen, was sie sind: Völlig natürlich. Für seine Zukunft muss Colin indes kämpfen und einiges erdulden. Im Laufe der Geschichte begegnen ihm dabei diverse – längst tote – Persönlichkeiten, von denen nicht alle mit offenen Karten spielen. Sie alle sind, wie auch er selbst und die lebendigen Figuren, eingebettet in die authentisch dargestellte Welt des 19. Jahrhunderts. Bis zum Ende bleibt zweifelhaft und spannend, ob Colin sein Leben zurück bekommt, oder ein Geist bleiben muss. Unbeantwortet bleibt auch bis kurz vor Schluss die Frage, wer ihn nun eigentlich ermordet hat und wieso. Und dann wäre da ja noch der Seelenfresser, der im Haus sein Unwesen treibt. Alles in allem hat Christian Handel bei „Das verlorene Zimmer von Thornhill Hall“ wieder einmal alles richtig gemacht und ein tolles Jugendbuch geschrieben. Gern mehr davon!