Nephilim – Der Schwur

Autor*in: Izzy Kramer
Genre: Urban Fantasy
Erscheinungsjahr: 2022
Verlag: Wortschatten Verlag

Leviathan, auch Levi genannt, ist eine gleichermaßen furchteinflößende Erscheinung. Größer als jeder andere, mit bleicher Haut, gespenstisch weißen Augen und weißem Haar. Aufgewachsen in einem Waisenhaus im frühen 20. Jahrhundert, lebt er bereits seit über einem Jahrhundert in London und hat inzwischen akzeptiert, dass er kein normaler Mensch ist. Vielleicht gar kein Mensch, sondern etwas Anderes. Etwas, das er ebenso wenig kennt wie seine Herkunft. Seine erweiterten Sinne, die unglaubliche Heilfähigkeit seines Körpers und seine immense Kraft hat er in den Dienst der englischen Mafia gestellt und treibt für den Capo von London Schulden ein. Doch eines Tages hat er eine folgenschwere Begegnung mit einer jungen Frau, die in einer psychiatrischen Einrichtung zu leben scheint. Nicht nur ihre Erscheinung, sondern auch ihr Geruch machen Levi, harmlos gesagt, unruhig. Als er der Sache auf den Grund gehen will, erscheint eine weitere Unbekannte – groß, blass und weißhaarig wie er selbst. Und ab diesem Moment ändert sich Levis Leben schlagartig. Denn mit einem Mal erfährt er, was er ist, zu welchem Volk er wirklich gehört und dass selbiges in einer geheimen Stadt tief unter der Erde lebt. Doch nicht bei allen sorgt das plötzliche Erscheinen eines Außenseiters für Freude. Und auch Levi selbst muss sich die Frage stellen, ob er wirklich in ein geheimes Königreich passt, in dem Manche ihn am liebsten gleich wieder loswerden wollen…

Izzys Kramers Buch sorgt beim Lesen auf verschiedene Art und Weise für Überraschungen. Nach den ersten Kapiteln und einigen Rückblenden in die Kindheit des Protagonisten nimmt die Handlung rasch Fahrt auf – um dann eine völlig unerwartete Wende zu nehmen, mit der man irgendwie nicht gerechnet hat. Ein gefühlt extremer Bruch. Fast, als würde man auf einmal ein anderes Buch lesen. So schnell und selbstverständlich geschieht das, dass man dann doch irgendwie wissen will, wo das alles noch hinführt. Vom Londoner Mafioso zum „Rookie“ einer feudalen, aber hochmodernen, unterirdischen Zivilisation befördert, sieht sich Levi ganz neuen (sozialen) Anforderungen gegenüber. Hat auf einmal viel zu lernen und sticht dennoch auf geheimnisvolle Weise unter seinesgleichen hervor. Und natürlich schafft es der eigenwillige Außenseiter nicht, innerhalb der neuen Gemeinschaft eine wirklich gute Figur zu machen. Dieser „zweite Teil der Geschichte“ kommt mit viel unterschwelligem Humor und mehr Sarkasmus als der erste daher, sodass man schon immer wieder schmunzeln muss. Zum Beispiel, wenn Levi auf einer blauen Riesenechse reiten soll, er die Schulbank drückt oder zum ersten Mal einen Supermarkt seines Volkes, der Nephilim, betritt. Ein Volk, das Gott einst erzürnt hat und dafür auf seine ganze eigene Weise Sühne sucht.
Sei es aufgrund des (sprachlich durchaus guten) Erzählstils oder wegen der Unnahbarkeit des Protagonisten, so richtig warm wird man mit den Figuren im Buch bis zu dessen Ende nach 276 Seiten trotz allem (noch) nicht.

Obwohl hinter der Erzählung ein roter Faden erkennbar ist, will die Geschichte partout nicht in irgendein bekanntes Muster passen. Denn gefühlt ist Izzy Kramer mit ihrem Erstling mehrgleisig gefahren. So trägt „Nephilim“ am Ende neben den dominierenden (teils historischen) Urban Fantasy Elementen und denen eines düsteren Vampir-Romans auch leichte Züge einer nicht ganz so ernst gemeinten Coming-of-Age Erzählung. Und natürlich entwickelt sich da auch noch eine Liebesgeschichte, die wenig Aussicht auf Erfolg hat. Ganz nebenbei hat mich das Buch obendrein ein wenig an Hellboy erinnert. Und so fällt es mir diesmal wirklich schwer, ein klares Fazit zu ziehen. Denn schlecht fand ich „Nephilim“ nicht. Nur eben irgendwie anders. Und damit folgt die Autorin ganz einer der Aussagen ihres Romans: „Regeln sind für jene gemacht, die sich ihnen beugen wollen“…

Author: nickvs