Swallowed

Die Entführung der Qualle

Titel: Swallowed, Die Entführung der Qualle
Autor: L.X. Wilhelm
Genre: Dystopie/Fantasy Satire
Erscheinungsjahr: 2020
Verlag: Myown-Verlag

Tja, da ist es in nicht allzu ferner Zukunft also passiert und die Menschheit hat sich mithilfe von Nuklearwaffen so ziemlich weggebombt. Herzlichen Glückwunsch! Die gesamte Landmasse des Planeten Erde ist dank des beherzten Drückens aufs ganz große, rote Knöpfchen vollkommen verstrahlt und unbewohnbar und auch vor den Meeren hat der Fallout nicht wirklich Halt gemacht. Dennoch haben es die Menschen geschafft, ihre Zivilisation neu zu errichten – auf etwas schräge Art und Weise in der Tiefsee, fern von alles zersetzenden, schwimmenden Algenteppichen und tödlicher Strahlung. In etlichen Unterwasserstädten verteilt in den Weltmeeren haben sich die alten Interessenssphären neu gebildet, die der USA, der EU, Chinas und der Russen. Und nach wie vor steht man sich alles andere als freundlich gegenüber. Und natürlich erlebt die Piraterie in diesen Zeiten, in denen Seehunde den Platz fellbedeckter Vierbeiner an der Seite der Menschen eingenommen haben, eine besondere, wenn auch etwas alkoholische, Renaissance.

Irgendwo tief im Ozean wird das Forschungsschiff „Qualle“ eines Tages von Sarku Arkula aufgebracht, einem der berüchtigtsten (und betrunkensten) Freibeuter seiner Zeit. Im Auftrag des wiedergeborenen, russischen Zarenreichs schleppt dessen „Swordfish“ das kleinere Uboot nun nach Putingrad im westlichen Pazifik. Doch dort angekommen stellt man fest, dass die Russen leider keine allzu verlässlichen Vertragspartner darstellen – zumal man ja auch eigentlich gar keinen Vertrag geschlossen hat. Ups. Wenig später befindet sich die junge Wissenschaftlerin Tatjana Madrosc von der „Qualle“ auf einer turbulenten Flucht vor den Torpedo-schießwütigen und deutlich überlegenen Russen – Seite an Seite mit Sarku Akula, den man versucht hat, mit Kugelfisch zu vergiften. Und nicht nur die Russen sind hinter der „Sowrdfish“, ihrem ewig betrunkenen Kapitän und seiner durchgeknallten Crew her. Auch ein alter Weggefährte Akulas hat es auf sie abgesehen – und mehr Feuerkraft zur Verfügung, als ein ganzer Kampfverband der Amerikaner…

„Vollkommen durchgeknallt“ beschreibt den Roman wohl am besten, den Lyn und Xavier Wilhelm im Mai 2020 veröffentlicht haben. Angesiedelt in einer dystopischen, deprimierenden Zukunft, in der sich ein nicht unbeträchtlicher Teil der verbliebenen Menschheit nur mithilfe einiger Promille vom einen zum nächsten Tag zu retten scheint, wird ausgerechnet das Schiff einiger wissenschaftlicher, weltverbessernder Hoffnungsbringer gekapert. Und an eine der submarinen Supermächte verscheuert. Da Undank aber auch zukünftig der Welten Lohn zu sein scheint, hat am Ende nur besagte Supermacht etwas davon. Zumindest vorerst. Grundsätzlich klingt das eigentlich sehr realistisch, wenn man die genauen äußeren Umstände im Buch einmal beiseite lässt. Aber nicht nur die politischen Blöcke unserer Gegenwart werden in „Swallowed“ auf die Schippe genommen, sondern auch vieles andere auf teilweise sehr verrückte Weise persifliert. Im Buch trifft man obendrein auf etliche vollkommen bekloppte Figuren mit ganz unterschiedlichen (nicht therapierbaren) Macken, Ticks und (psychischen und/oder Alkohol-) Problemen. Und obwohl die Erzählweise der Autoren so chaotisch ist wie das Gebaren ihrer Protagonist*innen und ständig von der Haupthandlung abschweift, ist man bis zum Ende doch gut unterhalten und amüsiert. Man fragt sich, wie der bekloppte Haufen, mit dem man auf fast 300 Seiten trotz der Kälte der Tiefsee warm geworden ist, aus diesem Schlamassel am Ende wieder rauskommt. Das allerdings wird man wohl erst im zweiten Teil erfahren, der hoffentlich bald irgendwo auftaucht…

Author: nickvs

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